Fastenmail 2: Seufzen

Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. (Römer 8,26)
Helena Schätzle

Liebe Ein-und-wieder-aus-und-wieder-ein-und-wieder-Ausatmende,

ich hoffe, Sie sind gut durch die erste Fastenwoche gekommen und haben bereits schmecken können, wie gut es tut, bewusst Luft zu holen. Haben Sie sich dabei eigentlich zugehört? Atmen macht Geräusche. Dafür muss man gar nicht erkältet sein oder andere Probleme mit den Atemwegen haben. Atmen macht ganz unterschiedliche Geräusche und wir können sogar in der Art, wie wir atmen, eine Menge aussagen. Wenn sich jemand erschrickt und wir hören dieses ruckartige und stimmhafte Einatmen, erschrecken wir uns häufig gleich mit, weil wir wissen, dass da etwas Unerwartetes geschehen ist. Einmaliges, heftiges Schnaufen kann Missfallen und sogar Verachtung ausdrücken. Auch dieses Schnaufen kann man stimmlich verstärken. In Comics sind solche Geräusche auf teilweise herrliche Art verschriftlicht worden: „Huch!“, „Pfft!“, „Pah!“, „Hmpf!“, „Grr!“ Bestimmt fallen Ihnen noch andere schöne lautmalerische Atemwörter ein.

Eine besondere Art, Laut zu geben, ist das Seufzen. Das Wort an sich sagt noch nichts über die Stimmungslage der Person aus, die gerade seufzt. Wir können aus ganz unterschiedlichen Gründen seufzen. Wir seufzen in großer Freude ebenso wie in großer Not. Liebende seufzen und machen einander damit wortlos deutlich, wie sehr sie einander genießen. Wer eine dicke Rechnung bekommt, seufzt ebenso wie Menschen, die bereits lange ein Leid ertragen müssen. Wir können aus großer Sehnsucht seufzen, oder weil wir zu viel gegessen haben. Zu all dem sagen wir „seufzen“. Aber auch, wenn das Wort für all diese Situationen dasselbe ist, so hört es sich doch immer ganz anders an. Gehen Sie meine kleine Aufzählung noch einmal durch und versuchen Sie mal, die unterschiedlichen Arten des Seufzens beim Lesen zu hören!

Um das Seufzen geht es auch im Bibeltext für diese Woche. Es geht um Situationen, in denen einem die Worte fehlen. Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom eine Passage darüber, dass nicht nur die Kinder Gottes, sondern die gesamte Schöpfung sehnsüchtig darauf wartet, dass Gott sich ihrer erbarmt. Für Paulus seufzt die ganze Welt wie eine Frau, die in den Wehen liegt. Die ganze Welt muss durch diese Schmerzenszeit gehen, damit etwas Neues und Wunderbares entstehen kann. Doch während der Schmerzen, während der Leiden wissen wir nicht einmal mehr, wie oder was wir beten sollen. Und an dieser Stelle schreibt Paulus etwas sehr Erstaunliches: Der Heilige Geist hilft beim Beten, indem er selbst seufzt. Anscheinend wortlos bringt der Heilige Geist unsere Bitten vor Gott. Wie stellen Sie sich dieses Seufzen des Heiligen Geistes vor? Wie mag es klingen? Wie laut ist es wohl?

Wenn wir seufzen, tun wir das meist im Privaten. Seufzen offenbart unsere Gefühle auf eine Weise, die wir nicht unbedingt öffentlich machen. Ich glaube, das ist der Punkt, an dem Seufzen und Beten einander so nah kommen. Unser Gebet kann so innig sein wie unser Seufzen. Gleichzeitig haben wir bestimmte Worte gelernt. „So sollt ihr beten“, sagt Jesus und bringt den Seinen das Vaterunser bei. Aber vorher sagt er: „Macht nicht viele Worte!“ So wie im Seufzen. Zeig dich Gott und hoffe darauf, dass du ohnehin verstanden wirst. „Gott weiß, was ihr braucht“, sagt Jesus. Ich kann mir gut vorstellen, dass Jesus es für ein vollständiges Gebet erachtet, wenn wir an Gott denken und dabei hörbar seufzen. Wir können so viel hineinlegen in unser Seufzen, dass ich sogar behaupte: Ein Seufzen kann besonders aufrichtig sein. Es kommt aus unserer Lunge wie aus unserem Herzen. Solch ein Gebet will nichts weiter, als Gott zeigen: Da bin ich und so geht es mir gerade.

  • Praxisaufgabe für die zweite Woche. Natürlich: Beten Sie seufzend! Mit anderen Worten: Denken Sie an Gott und dann seufzen Sie das Seufzen, das gerade kommt! Sparen Sie sich Ihre Worte. Hören Sie sich selbst einfach zu. Wenn Sie mögen, wiederholen Sie das Seufzen, sooft Sie mögen.
  • Zusatzaufgabe für Aufmerksame: Seufzen Sie betend! Mit anderen Worten: Merken Sie, wenn Sie seufzen, und denken Sie dann an Gott. Schicken Sie Ihr Seufzen sozusagen nachträglich zum Himmel! Stellen Sie sich dabei vor, dass der Heilige Geist Ihr Seufzen wie in einem Echo direkt vor Gott bringt!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche, eine mit Seufzen und anderen schönen Tönen!

Ihr Frank Muchlinsky

PS: In der letzten Woche hat es sehr gut geklappt, Ihnen Empfehlungen für weitere Angebote aus unserem Haus zu machen. Ich erlaube mir darum, heute noch einmal auf ein besonderes Angebot von evangelisch.de hinzuweisen, unsere Ohrenweide. Das ist ein Podcast, bei dem ich selbst mitarbeite und in dem wir Tag für Tag ein kleines, feines Hörgeschenk machen. Klassische und zeitgenössische Gedichte können Sie da ebenso hören wie Bibeltexte, Kurzgeschichten oder kurze Essays − täglich ein kleiner Moment zum Innehalten und Luftholen. Alles wird mit grandioser Stimme vorgelesen vom Schauspieler und Sprecher Helge Heynold. Während der Aktion „7 Wochen Ohne“ liest er auch die biblischen Wochentexte vor. Dazu Texte rund um das Motto „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“. Die Texte stammen aus dem Begleitbuch zur Fastenaktion.

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