Fastenmail 2024, Woche 1: Miteinander gehen (Lukas 24,13‒16)
Liebe Fastengeschwister,
ich begrüße Sie herzlich in einer neuen Periode des fröhlichen Weglassens! Diesmal wird uns von „7 Wochen Ohne“ empfohlen, auf Alleingänge zu verzichten und stattdessen „rüberzukommen“. Da hier ein Missverständnis lauern könnte, will ich es gleich ausräumen: Wer den Wunsch nach Einsamkeit hat, soll dem gern weiterhin nachgehen. Es ist nichts einzuwenden gegen Zeiten, in denen wir für uns sind. Im Gegenteil, wir brauchen solche Zeiten, um uns selbst Gutes zu tun oder um uns über Dinge klar zu werden. Das hat eine gute und lange Tradition: Auch Jesus ging, bevor er überhaupt mit seinem Werk anfing, in die Wüste und fastete dort 40 Tage lang allein.
Es geht also nicht um das Alleinsein, das guttut, sondern es geht um die Dinge, die man besser zusammen mit anderen angeht. Jesus blieb ja auch nicht in der Wüste, sondern er versammelte Leute um sich, mit denen er sein großes Werk anging. Darum: Komm rüber! Verlasse ein paar Räume, in denen du dich einigelst: Komm aus der Wohnung mit dem praktischen Homeoffice! Komm aus dem Schweigen, in dem du dir bequem deinen Teil denken kannst! Komm aus der gemütlichen Routine deiner Partnerschaft und halte sie nicht für selbstverständlich! Komm raus aus dem Glauben, du müsstest alles allein schaffen!
Haben Sie sich bei der Aufzählung schon erkannt? Wenn nicht, überlegen Sie einen Moment für sich weiter: Wo neigen Sie zu Alleingängen? Weil es leichter ist? Weil es schneller geht? Weil Sie sich dann nicht auf andere verlassen müssen? Ich glaube, das ist der wichtigste Punkt, das ist die größte Hürde: Wer „rüberkommt“, wer auf Alleingänge verzichtet, macht sich abhängig von anderen. Da drüben warten andere Meinungen, andere Stimmungen, andere Vorstellungen. Wer mit anderen geht, muss sich eventuell dem Tempo der anderen anpassen, muss eventuell über die Richtung oder gar das Ziel diskutieren. Wer „rüberkommt“, gibt ein Stück der eigenen Freiheit auf.
Andererseits kann man eine Menge gewinnen davon, wenn man gemeinsam unterwegs ist. Von einer solchen Situation erzählen die Bibelverse, die für diese erste Woche ausgesucht wurden. Sie stehen im Lukasevangelium und kommen eigentlich zu früh, denn sie spielen zu Ostern:
Am selben Tag waren zwei Jünger unterwegs zu dem Dorf Emmaus. Es lag gut zehn Kilometer von Jerusalem entfernt. Sie unterhielten sich über alles, was sie in den letzten Tagen erlebt hatten. Während sie noch redeten und hin und her überlegten, kam Jesus selbst dazu und ging mit ihnen. Aber es war, als ob ihnen jemand die Augen zuhielt, und sie erkannten ihn nicht. (Lukas 24,13‒16 Basisbibel)
Der kurze Text braucht eine Einordnung in den biblischen Zusammenhang. Er spielt, wie erwähnt, am Ostertag. Das bedeutet, die beiden Jünger, die hier unterwegs sind, haben wirklich viel erlebt, worüber sie reden können: Jesus wurde verhaftet, am selben Tag noch verhört und gefoltert und am nächsten Tag öffentlich hingerichtet. Die Jünger flohen, ein Begräbnis war nur notdürftig möglich. Man brachte den Leichnam in ein Grab, ohne ihn zu salben, denn der Sabbat hatte begonnen. Den warteten die Frauen ab, die am nächsten Tag zum Grab gingen, um Jesus die letzte Ehre zu erweisen. Das Grab war aber leer, so erzählten sie aufgeregt den Jüngern, als sie zurückkehrten. Und Gestalten in leuchtenden Gewändern hätten ihnen gesagt, Jesus lebe, er sei auferstanden. Niemand glaubte ihnen die Erzählung. Und nun sind die beiden namenlosen Jünger unterwegs in ein Nachbardorf von Jerusalem.
Warum die beiden aufgebrochen sind, wird nicht erzählt, aber ich kann mir gut vorstellen, wie sie miteinander reden und all das besprechen, was sie erlebt haben. Es ist so gut, jemanden zu haben, mit dem man die eigene Trauer teilen kann! Die beiden haben einander, und so können sie einander stützen. Sie können das Schlimme, das sie erlebt haben, gemeinsam besprechen und so sicherlich ein Stück weit bearbeiten. Allerdings drückt ihnen genau diese Tatsache anscheinend ihre Augen zu. Als der auferstandene Jesus sich auf einmal zu ihnen gesellt, erkennen sie ihn nicht. All ihre Trauer, Schmerz und Sorgen könnten mit einem Schlag verfliegen, aber es kommt nicht dazu, weil die beiden bei sich bleiben, anstatt „rüberzukommen“, oder zumindest genau „rüberzusehen“. Später dann werden sie ihn erkennen, aber zunächst wird erzählt, dass sie es einfach nicht schaffen, das Gute, das ihnen begegnet, wahrzunehmen.
Diese Unfähigkeit ist mir bekannt. Ich kenne es, in Sorge und Trauer gefangen zu sein. Und ich weiß, dass Kontakte und Gespräche mit anderen mir heraushelfen können. Zum einen sind da Leute, die mein Los teilen. Es tut gut, sich mit ihnen auszutauschen und zu spüren: Ich bin nicht allein. Und dann sind da die Leute, die ganz anders unterwegs sind – wie Jesus in der biblischen Geschichte. Menschen, die freundlich mitgehen, ohne in derselben Situation zu sein. Wenn ich mich denen zuwende, kann ich vielleicht erkennen, dass „da drüben“ noch etwas anderes existiert, als meine eigenen Geschichten und Gefühle. Nur muss ich eben die Augen aufmachen! Lassen Sie uns so gemeinsam durch die Fastenzeit gehen: in Kontakt mit Leuten, die uns guttun, und mit offenen Augen für die anderen, die unterwegs sind. Wer weiß, ob nicht gerade die etwas beitragen können, was unsere Probleme löst!
Auch in diesem Jahr gibt es wieder Wochenaufgaben von mir für Sie. Neu ist diesmal die Zusatzaufgabe für die Profis unter Ihnen, die die Herausforderung lieben. Ich hoffe, Sie sehen mich lächeln, während Sie diese Zeilen lesen. Ich will niemanden überfordern, ich möchte lediglich Lust machen auf ein paar, vielleicht ungewöhnliche, Anregungen.
Wochenaufgabe: Verabreden Sie sich mit einer Kollegin oder einem Kollegen für einen gemeinsamen Arbeitsweg! Oder vereinbaren Sie einen gemeinsamen Weg mit einer anderen Person, mit der Sie ein gemeinsames „Schicksal“ teilen. Gehen oder fahren Sie also einmal ganz bewusst zusammen – es muss ja nicht der gesamte Weg sein. Nutzen Sie die Zeit zum Reden! Zusatzaufgabe: Reden Sie nicht über ihre Arbeit oder über das, worüber sie sonst mit dieser Person sprechen!
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Ihr Frank Muchlinsky