Predigt zur Fastenaktion 2023

Predigt von Landesbischof Ralf Meister

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Wie nah bin ich bei Ihnen, liebe Gisela Noll mit meinen eigenen Erfahrungen. Immer wenn es meine Zeit erlaubt, bin ich für eine Stunde in diesen Wochen im Garten. Dann grabe mit meinen Händen in der schwarzen Erde, schneide die Rosen und Obstbäume und wünsche mir, dass der Schmetterlingsflieder prächtiger blüht als im vergangenen Jahr. Wenn die Schneeglöckchen, Winterlinge und Krokusse blühen und die erste Farbe in den Garten bringen, träume ich von leuchtenden Sommertagen.

Und bei Ihnen, liebe Anett Gavelis. Nichts tröstet mich in der Natur mehr als das Meer. Welch‘ eine große Tröstung. Das Meer ist mächtig, gefährlich, gewiss! Und zugleich ist es wunderschön. In diesen Februartagen, wenn der Nordwestwind über die Küste fegt, fahre ich gerne hin und trotze winddicht verpackt dem Sturm am Strand. Ich halte mein Gesicht in den Wind und denke: Wie groß, wie stark bist du Gott. Ja, auch für mich gibt es viele Dinge, die ich in der Natur erlebe, die mich innerlich erleuchten, stärken, trösten. In einem Kirchenlied heißt es: „Himmel, Erde, Luft und Meer / zeugen von des Schöpfers Ehr / meine Seele singe Du / bring auch jetzt dein Lob herzu.“ So geht es mir. Oft. Was ist uns an Leuchtkraft durch Gott in der Schöpfung nicht schon geschenkt.

Aber dann gibt auch es das andere. Es ist fast wie eine andere Welt. Und viel zu oft ist es die Welt, die mich bestimmt. Dunkle Nächte, in denen der Schlaf nicht kommen will. Das Weltgeschehen hält mich wach. Alles in mir seufzt und klagt. Wann kommt die neue Zeit? Wann? Eine Zeit ohne Krieg? Jeder Tag lässt mich fast verzweifeln, wenn ich an den Angriffskrieg Rußlands in der Ukraine denke. ine Zeit ohne die verhängnisvollen Zeichen in der Schöpfung? Eine Zeit ohne die katastrophale Lage in den Erdbebengebieten? Ich drehe mich von einer Seite auf die andere. An Nachtruhe ist nicht zu denken. Alles nur dunkel. Finstere Zeiten, die mich umfangen, bedrohen.

Ihr seid das Licht der Welt! Gerade war ich noch im Dunkel gefangen und nun das? Geht es nicht eine Nummer kleiner? Für uns, die wir uns durch diese Nächte quälen? Die wir hilflos in die Dunkelheit starren? Bleiben uns nur blühende Gärten, leuchtendes Meer, damit wir nicht völlig im Dunkel versinken? Aber selbst Licht der Welt zu sein? Was soll da leuchten? Machen wir uns nicht lächerlich?

Und doch, manchmal geschieht es, dass man strahlen kann, ohne dafür etwas zu tun. Jüngst hat mir ein älteres Ehepaar, das schon die goldene Hochzeit gefeiert hatte, davon erzählt, wie sie sich kennenlernten. Und nur einige Monate nach ihrem ersten Treffen hatte er sie gefragt: „Willst Du meine Frau werden?“ Als der Mann das erzählte, blickte er seine Frau an und ergänzte: „Wie hast du gestrahlt, als ich dich das gefragt habe.“

Wir leben davon, dass uns andere Menschen etwas zusagen. Auch wenn wir manchmal denken: Das habe ich nicht erwartet! Das verdiene ich doch gar nicht! Und doch strahlt unser Herz, wenn etwas hineingelegt wird, was andere wiederum sehen können. So war es bei dem Besuch des alten Ehepaars. Und als der Mann diese Geschichte erzählte, glänzten seine Augen vor tiefem Glück.

Es geschieht.
Es geschieht, weil irgendetwas in deinem Innersten spürt, „es ist gut“. Oder zumindest: „es könnte wieder gut werden.“

Ihr seid das Licht der Welt! Diese Botschaft ist von Mund zu Mund über Generationen und um die ganze Erde gegangen. Bis zu uns heute Morgen. Worte Jesu, die an eine zufällige Gruppe Menschen gerichtet waren: Fischer und Handwerker, Männer und Frauen, die weder besonders begabt oder außergewöhnlich mutig waren. Ganz normale Menschen. Wie wir. Ein Wort an dich und mich,). Was für ein Wunder, dass Gott so auf uns sieht. Und es uns sagt: Es geht um dich! „Du bist Licht, auf dich kann ich nicht verzichten.“ Wir haben uns das nicht ausgesucht. Und vielleicht strahlt unser Herz auch nicht gerade vor Glück, weil wir nicht wissen, wie das gehen soll. So verzagt und verletzlich, wie wir oft sind. Wie oft werde ich gefragt: Was sagt die Kirche, was sagt der Bischof denn dazu? Und dann suche ich mühsam nach Antworten, wie alle anderen auch. Licht der Welt sein! Das macht uns mehr Angst als im gewohnten Dunkeln zu bleiben. Aber Gott glaubt an uns. Er schafft in uns, was wir von uns aus nicht können: Licht sein. Leuchten. Für uns und für andere.

Machen wir uns nicht klein. Gehen wir mutig in die Welt.
Denn das Evangelium ist mutig. Beeindruckend habe ich das erlebt bei einem Besuch in Syrien.

Das ist schon gut fünf Jahre her. Gerade als der Krieg eine Pause machte. Wir fuhren durch die Altstadt von Homs. Vor Ausbruch des Krieges lebten dort fast 60.000 Christen. Nur wenige Tausende sind zurückgekehrt. Ich sah kein einziges beleuchtetes Fenster, überall Trümmer und Ruinen. Schließlich hielten wir vor einer hellen Fassade. Die Mauer der Reformierten Kirche. Durch einen beleuchteten Innenhof traten wir in einen Versammlungsraum. 50 Teilnehmende saßen zusammen und hören einem Psychologen zu, der über den Umgang mit traumatisierten Kindern berichtete. Kinder, die den Krieg erlebt und überlebt haben. Die Eltern oder Geschwister verloren haben. Seitdem sie sehen und hören konnten, seitdem sie denken konnten, war Krieg. Nach dem Ende des Vortrags kamen alle an einen großen Tisch und wir saßen zusammen. Fünfzehn junge Frauen und Männer, alle aus der Initiative „Raum für Hoffnung“. Auf Arabisch klingt es viel schöner: Fus hat Amal. Sie kümmern sich mit dieser Idee um Kinder „Warum engagiert ihr euch in der Initiative?“ fragte ich in den Kreis. Eine Frau antwortete: „Ich bin Christin. Wir alle hier sind Christen. Diese Welt braucht Hoffnung. Wenn nicht durch uns, durch wen denn sonst.“

Diese Antwort ist mir unvergesslich geblieben.
Das Licht tut, was es kann: Es breitet sich aus. Menschen machen die Welt leuchtender und wärmer. wir sind es:
Ob leidtragend, auf der Suche nach Frieden und nicht zufrieden mit dem, was wir haben:
Gott befähigt uns, zu leuchten. Zeigen wir es der Welt. So wie es die Syrerin gesagt hat: Wenn nicht wir, wer denn sonst. Ihr seid das Licht der Welt.

Amen