Liebe Gemeinde, Jesus will weg von den Leuten, es ist ihm alles zu viel. Jünger zusammentrommeln, reden, predigen, heilen, für Essen sorgen … Er braucht Ruhe und er schläft. Währenddessen läuft das Boot voll. Ein Sturm. Die Jünger sind nicht einfach bloß Panikwachteln. Kerle, denen vor Angst die Hosen flattern und die keinen Mumm in den Knochen haben. Es wäre falsch, leichtfertig vom Schluss der Geschichte auszugehen, vom Fettgedruckten, und zu sagen: Wer an Gott glaubt, braucht doch keine Angst zu haben. Diese Art von Frömmigkeit geht an der Realität vorbei. Sie missbraucht Gott als Erfüllungsgehilfen. „Da Papa wird´s scho richt´n, dés g´hört zu seinen Pflichten, dazu ist er ja da“, heißt es in einer österreichischen Kabarettnummer. Gott ist keiner, den man mal eben im Gebet anruft und schon läuft der Laden wieder. Man kann sich nicht auf dem Glauben ausruhen. Dazu ist das Leben zu ernst, oft auch zu dramatisch. Man macht sich Sorgen um einen geliebten Menschen, um sich selbst. Wer kennt ihn nicht, diesen inneren Sturm, der in einem manchmal losbricht – der uns beutelt, aus welchen Gründen auch immer: Wenn ein Paar in eine Krise gerät, wenn man keinen Draht mehr hat zu den Kindern, wenn man den Sinn des eigenen Lebens nicht mehr entdecken kann. Wir geraten als Einzelne oder auch als Gesellschaft immer wieder in Situationen, in denen wir uns nicht zurechtfinden und das Gefühl haben, es zieht uns unaufhaltsam in einen Abgrund. Die politische Lage, Klimaveränderungen – ja, es ist manchmal echt zum Angst kriegen, zum Fürchten. Klar, dass man da schreien könnte vor Angst und Gott wachrütteln möchte. Hilf! Die Jünger fürchten sich zurecht, denn sie sehen, dass die Wellen hochschlagen und im Boot das Wasser steht. Deswegen wecken sie Jesus auf. Sie wenden sich an den, von dem sie Hilfe erwarten. Mit anderen Worten: Sie gehen mit ihrer Angst vernünftig um. Und Jesus sorgt dafür, dass das Getose ringsumher aufhört. „Es entstand eine große Stille.“ Noch so ein kleingedruckter Satz, etwas, was scheinbar nebensächlich und doch so entscheidend ist. Neue Zuversicht entsteht nicht im Herumlärmen, darin, sich mit der eigenen Meinung wichtig zu machen. Erst recht nicht darin, dass man Panik predigt – denn so werden Menschen blind vor Angst und wissen sich nicht mehr zu helfen oder fuhrwerken ohne Sinn und Verstand herum. Diese Art von Pessimismus ist wirklich die Pest, wie Johannes vorhin so großartig gesagt hat. Um uns herum lebt dieser Pestizismus: In manchen politischen Äußerungen, die uns in Angst und Schrecken versetzen wollen. In Horrorgemälden, die den Untergang der Welt heraufbeschwören. Das lähmt – oder es macht aggressiv. Zuversicht kommt anders zustande. Das wollen wir mit unserer Fastenaktion „7 Wochen ohne Pessimismus“ wieder neu einüben. Jesus fragt die Jünger nach ihrer Furcht, danach ob sie – noch! – keinen Glauben haben. Der Kleinglaube, den er kritisiert, besteht darin, nicht zu vertrauen und stattdessen in wilde, hektische und vielleicht blinde Aktivität zu verfallen. Unser Kleinglaube und die Angst lassen das Meer nur immer bedrohlicher werden je mehr man sich hineinsteigert, desto schlimmer wird es. Wir kennen das. Jesus selber zeigt einen Ausweg. Er ist nicht etwa abwesend, er ruht. Im Schlaf, in den Bildern der Träume und in den Tiefen seiner Seele sammelt er neue Kraft und gewinnt an Stärke. Er ist verankert in Gott – deshalb wirft es ihn nicht so hin und her. Als es das doch einmal tut, später, im Garten Gethsemane, als seine Gefangennahme kurz bevorsteht und Jesus weint vor Angst, – wirft er seinen inneren Anker neu. Um all dem zu begegnen, was da so tobt und tost, braucht es innere Ruhe. Was uns weiter bringt, was uns Land sehen und neue Ufer entdecken lässt, ist nicht der liebe Gott, der mit großem Gedöns vom Himmel her eingreift. Es ist das Vertrauen darauf, dass Gott uns nie verlässt dass er immer mit im Boot sitzt und wir ihn nicht erst wachrütteln müssen. Diese Haltung, diese Einstellung verändert Leben. Das Bild des Ankers ist in Kirchen öfter auf alten Gemälden sehe. Der Anker ist Symbol für den Glauben. Er versinnbildlicht Erdung statt Abgehoben sein, Bodenhaftung statt ziellosem sich Treibenlassen oder wildgewordenem Agieren. Unseren Glauben kennzeichnet, was diese Welt notwendig braucht: Klaren Sinn für die Realität, Achtung vor dem menschlichen Leben von der ersten bis zur letzten Sekunde und leidenschaftliche Visionen für das respektvolle Zusammenleben von Menschen. Wir brauchen getroste Zuversicht im Herzen und im Hirn. Jesus weiß, dass Angst und Furcht etwas Normales sind und dass man erst lernen muss, damit umzugehen. Das Vertrauen, dass Gott unverbrüchlich an unserer Seite ist, muss wachsen. Deshalb sagt der Gottessohn an anderer Stelle: „In der Welt habt ihr Angst.“ Und zugleich sagt er: „Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Er hat einen Vertrag mit uns, einen Bund, in dem er uns verheißt, für uns immer da zu sein, gleich, wie es uns beutelt. Er ist nicht Wundermedizin in sämtlichen Lebenslagen, aber unser Heil bis in alle Ewigkeit. Paul Gerhardt dichtet in einem unserer schönsten Glaubenslieder: „Nun weiß und glaub ich feste, ich rühm‘s auch ohne Scheu, dass Gott, der Höchst und Beste, mein Freund und Vater sei und dass in allen Fällen er mir zur Rechten steh und dämpfe Sturm und Wellen und was mir bringet Weh.“ Ich liebe dieses Lied seit meinen Kinderzeiten heiß und innig. Es braucht ein solides Fundament und klare Orientierung. Die Zuversicht, dass Gott präsent ist, dass r mir zur Seite steht, auch wenn die Wellen hochschlagen – das reißt aus Lethargie und Apathie, hält Geist und Verstand, Herz und Seele frisch und munter. Gott ist selbst Dynamis, Kraft und Energie, er setzt Menschen in Bewegung. Er lenkt unseren Blick auf die Wirklichkeit, auf die komplexen Realitäten unseres Lebens. Damit sollen und können wir uns auseinandersetzen. Und zwar kritisch, nachdenklich, gelegentlich auch zweifelnd oder frohgemut und leichten Sinnes. Mit getroster Zuversicht. Die neue Fastenaktion von 7 Wochen ohne möchte einen Kontrapunkt setzen zu allen Versuchungen, pessimistisch zu werden. Natürlich gibt es Situationen, in denen man alles grau in grau oder nur noch schwarzsieht. Das kann einem wirklich passieren. Aber tragisch wird es, wenn wir anfangen, uns selbst, unsere Gesellschaft und Welt abzuschreiben, wenn wir die Zukunft ganz und gar verloren geben. Das ist die wahre Gefahr des Pessimismus, das ist eine Pest, wenn wir fatalistisch und kraftlos werden, wenn wir nichts mehr machen wollen, nicht einmal mehr die Hände falten und Gott anrufen, ihn anschreien wie die Jünger im Sturm. Unser Anker, dann, wenn es hoch hergeht, ist Gott, der diese Welt in Händen hält. Von ihm dürfen wir Inspiration erhoffen, Kraft und Durchhaltevermögen, wenn es darum geht, dass, was Menschen schadet oder wo sie selbst Schaden anrichten, zum Guten hin zu verändern. Schwungvolle Zuversicht, Gottvertrauen voller Elan werden uns selbst, diese Welt und ihre Menschen eher verändern als alle Unkenrufe. Wir brauchen einen hellwachen Geist und ein mitfühlendes Herz, damit wir die Wirklichkeit wahrnehmen, wie sie ist, und uns nach den Möglichkeiten umtun, mit denen wir sie erhalten können oder sie verändern, wo es notwendig ist. Der christliche Glaube macht mopsmobil! Deswegen, weil wir den Stürmen des Lebens nicht alleine gegenüberstehen. Keine Panik. Her mit den Rudern … Jesus Christus ist der Herr und Steuermann. Amen. |
Predigt zur Fastenaktion „Zuversicht”
Predigt von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler