Er (Jesus) sprach aber zu seinen Jüngern: Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um das Leben, was ihr essen sollt, auch nicht um den Leib, was ihr anziehen sollt. Denn das Leben ist mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung. Seht die Raben: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie haben keinen Keller und keine Scheune, und Gott ernährt sie doch. Wie viel mehr seid ihr als die Vögel! Wer ist unter euch, der, wie sehr er sich auch darum sorgt, seiner Länge eine Elle zusetzen könnte? Wenn ihr nun auch das Geringste nicht vermögt, warum sorgt ihr euch um das Übrige? Seht die Lilien, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras, das heute auf dem Feld steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wie viel mehr wird er euch kleiden, ihr Kleingläubigen! (Lukas 12,22–28)
Liebe Fastengemeinde,
willkommen! Willkommen zu sieben Wochen bei vollem Bewusstsein dafür, was wir tun, was wir brauchen oder was wir lieber lassen! In diesem Jahr haben wir ein Motto vor der Brust, bei dem sehr viele Leute sagen: „Oh, das ist genau das Richtige! Das richtige Motto für unsere Zeit, das richtige für mich!“ Pessimismus scheint so etwas wie eine Volkskrankheit zu sein, an der im Jahr 2020 besonders viele Menschen leiden. Das ist gut nachvollziehbar, denn uns wird von allen Seiten das Fürchten gelehrt. Die einen sagen: „Das Haus steht in Flammen!“, die anderen warnen vor „Klimahysterie“. Die einen rufen „Wehret den Anfängen!“, die anderen fürchten „Überfremdung“.
Die Angst ist eine Schwester des Pessimismus. Aber sie hat noch weitere Geschwister: Das Misstrauen ist stark in diesen Tagen. Überall wittern wir Lüge, Propaganda und Fake News, und wenn wir genauer hinschauen, merken wir tatsächlich, dass aus Machtinteresse dreiste Lügen verbreitet werden. Dann ist da noch der Druck, der den Pessimismus fördert. Wir stehen an so vielen Stellen unseres Lebens dermaßen unter Erfolgsdruck, dass wir bereits ahnen: Wir werden scheitern. Es ist erstaunlich, wie viele Bereiche unseres Lebens angeblich optimiert werden müssen. Es ist absurd, was wir alles falsch machen können: kauen, sich bücken, gehen, sitzen, reden, lieben, niesen. Es gibt wohl nichts, was Menschen können, von dem nicht schon mehrere andere Menschen gesagt haben, dass man es falsch machen kann.
Wenn wir also in den kommenden sieben Wochen dem Pessimismus entsagen wollen, müssen wir uns klar darüber sein, dass er mächtige Geschwister hat. Aber zum Glück haben wir auch Verbündete. In der Fastenzeit gibt es viele Menschen, die einander unterstützen. Diese Zeit ist für viele Menschen der Anlass, bewusst durch den Tag zu gehen. Viele treffen sich in Fastengruppen, andere fasten in ihren Familien oder im Freundeskreis und erzählen einander von ihren Erlebnissen.
Als weitere Verbündete bekommen wir in jeder Woche Texte zur Seite gestellt, die uns Zuversicht lehren können. Diese Worte Jesu von den „Vögeln unter dem Himmel“ und den „Lilien auf dem Felde“ sind sehr bekannt und geradezu sprichwörtlich geworden. So bekannt sie aber auch sind, so selten werden diese Worte in die Tat umgesetzt. Schließlich ruft Jesus hier dazu auf, in keiner Weise zu sorgen, nicht einmal vorzusorgen. Das ist kaum vorstellbar und baut bereits neuen, anderen Druck auf. Wie sollen Besorgte also reagieren? Die Aufforderung „Sorge dich nicht!“ ist für einen Pessimisten ungefähr so wirksam wie „Der will nur spielen!“ für jemanden, der Angst vor Hunden hat. Aber in dem Text steckt ein Satz, der uns wirklich zum Verbündeten werden kann, wenn wir uns um Zuversicht bemühen wollen. Jesus sagt: „Wer ist unter euch, der, wie sehr er sich auch darum sorgt, seiner Länge eine Elle zusetzen könnte?“ Diese Frage, zumal in diesem Zusammenhang, kann uns vor einer Menge Druck schützen und darum zuversichtlich machen. Wir haben nicht alles in der Hand. Wir können unser Leben nicht vollständig bestimmen. Also müssen wir auch nicht ständig versuchen, uns selbst zu optimieren. So wie wir sind, sind wir wertvoll in Gottes Augen.
Fangen wir die sieben Wochen also damit an, dass wir uns klarmachen: Wir haben unser Leben nicht vollständig in den eigenen Händen. Machen wir uns klar, dass wir nicht alles selbst schaffen können, und suchen wir uns Verbündete gegen Druck, Misstrauen und Angst. Dann klappt es auch mit der Zuversicht. Darum diese konkrete erste Aufgabe:
Suchen Sie sich für die Fastenzeit eine Person, der Sie regelmäßig von Ihrem Vorhaben und Ihren Erlebnissen erzählen. Im besten Fall suchen Sie einen Menschen, der ebenfalls Pessimismus fasten will. Treffen Sie bereits Verabredungen, wann Sie sich austauschen. Wenn Sie niemanden in Ihrem Umfeld haben, mit dem Sie sich auf diese Weise austauschen möchten, oder weil Sie gern in einer größeren Gruppe reden möchten, gründen Sie eine Fastengruppe in Ihrer Nachbarschaft oder treten Sie einer Fastengruppe bei. Hier ist der Link, der Ihnen dabei hilft: Fastengruppen
Und wenn Sie Ihre Gedanken und Erfahrungen öffentlich teilen, sei es bei Facebook, Instagram, Twitter oder YouTube, nutzen Sie unsere Hashtags, damit andere Ihren Beitrag finden können. #7WochenOhne #Zuversicht, und der Hashtag dieser Woche lautet #ohnesorgen
Pessimismusfasten ist eine schöne Herausforderung. Ich freue mich auf die Zeit mit Ihnen und verrate Ihnen noch einen kleinen Trick für große Aufgaben. Lesen Sie die letzten beiden Worte, die Jesus in unserem Wochentext sagt, noch einmal und stellen Sie sich vor, wie er dabei sehr breit lächelt.
Eine gute Woche und Gottes Segen!
Ihr Frank Muchlinsky
Frank Frank Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de.
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