Fastenmail 5: Wir gehen gemeinsam

Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.
(Rut 1,16–17)

Liebe Verzagungsentsagungswillige,

in diesem Jahr stammen die Bibeltexte für „7 Wochen Ohne“ beinahe durchgehend aus den Charts, aus der Hitparade der bekanntesten und beliebtesten Bibelstellen unserer Zeit. Heute gesellt sich ein Vers dazu, der auch gern bei Trauungen gelesen wird. Dass es hier um eine Schwiegertochter geht, die diesen Satz ihrer Schwiegermutter sagt, hat dabei noch nie wirklich gestört. Das Versprechen „Bis dass der Tod uns scheidet“ klingt so schön, dass selbstverständlich auch gemutmaßt wurde, dass die beiden Frauen mehr verbindet als der verstorbene Mann beziehungsweise Sohn. Aber ob nun lesbisches Paar oder nicht: Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, in welcher Situation dieser Satz von Rut geäußert wird.

Der Auftakt macht bereits deutlich, dass sich die beiden gerade eher in einer Auseinandersetzung als in einer romantischen Situation befinden. „Bedräng mich nicht!“, sagt Rut. Der Grund: Noomi hat ihr gerade ausführlich deutlich gemacht, dass sie keine gemeinsame Zukunft für sie beide sieht. Noomi will in ihr Heimatland zurück. Sie kann darauf hoffen, dass dort für sie als Witwe ohne Söhne gesorgt wird. Aber für Rut wird es nicht reichen. Sie stammt aus einem anderen Land und hat keinen Anspruch auf Versorgung. Noomis andere Schwiegertochter Orpa hat das eingesehen und ist in ihr eigenes Land umgekehrt. Rut aber will nicht hören, dabei bietet Noomi jedes vernünftige Argument auf, das es in dieser Situation gibt. Ein Zusammenleben in Noomis Heimat Juda ist nicht möglich, eine Trennung wäre wirtschaftlich und sozial vernünftig. Das Schicksal, das Noomi getroffen hat, könnte noch bitterer werden, wenn Rut sie begleitet.

Manchmal spricht die Verzagtheit mit der Stimme der Vernunft. Noomi braucht die Vernunft, um trotz ihres bitteren Schicksals weiter funktionieren zu können. Die Vernunft ist eine Stütze für sie, denn sie gibt ihr die Entscheidungen vor, die nun zu treffen sind: Trennung und sich allein durchschlagen. Das ist vernünftig, das ist alternativlos, das ist der Weg. Rut will nicht vernünftig handeln. Sie verweigert sich der Vernunft ihrer Schwiegermutter wortreich. „Hör auf, mich zu bedrängen! Es ist mir egal, was du sagst. Ich gehe mit dir, ich bleibe bei dir. Wir gehören zusammen! Ich schwör: Selbst im Grab liegen wir zusammen!“

Manchmal spricht die Unverzagtheit mit der Stimme der Unvernunft. Rut schaut wie ihre Schwiegermutter in die Zukunft, aber es geht ihr nicht um die Frage, ob es den beiden gut gehen wird oder nicht. Ihr geht es darum, dass sie zusammenbleiben, weil sie zusammengehören. Vernunft spielt in diesem Moment keine Rolle. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass dieser Vers so gern bei Trauungen gelesen wird. Man lässt sich auf ein Wagnis ein, bei dem es nicht darauf ankommt, ob es vernünftig ist, sondern darauf, dass man es gemeinsam tut.

Noomi lässt sich auf die Unvernunft Ruts ein. Die nächsten Verse erzählen, wie die beiden nach Juda zurückkehren. Man erfährt nicht, was die beiden geredet haben auf ihrem Weg, aber als sie am Ziel sind, ist Noomi noch keineswegs überzeugt, dass sie das Richtige getan haben. Als man sie mit ihrem Namen anspricht, sagt sie: „Nennt mich nicht Noomi, sondern Mara, die Bittere!“ Die Geschichte geht später gut aus, aber das ist in diesem Moment noch überhaupt nicht absehbar. Das Einzige, das Noomi hat, ist Rut, um die sie sich nun auch noch Sorgen machen muss. Rut, die an ihr hängen will, egal was passiert.

Wochenaufgabe: Tun Sie etwas Unvernünftiges!

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit. Bleiben Sie so unverzagt, wie es gerade geht!

Ihr Frank Muchlinsky