Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.
Matthäus 13,31−32,
hier vorgelesen von Helge Heynold.
Liebe Naturliebende,
bei allem Schrecklichen, das gerade in der Welt geschieht: Wie tröstlich ist es doch, dass die Tage länger und wärmer werden! Es tut so gut zu sehen, wie Blumen wachsen und aufblühen, wie Saat aufgeht und wie das Leben sich wieder nach außen kehrt. Gerade wenn man auf etwas Gutes wartet, das noch gar nicht absehbar ist, hilft es, wenn man jeden Tag sehen kann, wie etwas wächst und gedeiht. Es ist nicht verwunderlich, dass Jesus sich gern solche Bilder aussucht, wenn er vom Kommen des „Reiches Gottes“ spricht. Das Reich oder die „Königsherrschaft“ Gottes ist ein Zustand, in dem das geschieht, worum wir im Vaterunser beten: Gottes Wille geschieht „im Himmel, wie auf Erden“. Gottes Wille, nicht der von machthungrigen und gewissenlosen Menschen! Manchmal scheint dieser Zustand noch ferner als je zuvor, und dann tun diese Bilder gut von etwas, das sich langsam, aber unaufhörlich durchsetzt. Das Senfkorn, von dem in dem Gleichnis die Rede ist, beinhaltet bereits alle Chancen des großen Strauchs, der einmal aus ihm werden soll. Selbst die Vögel, die einmal in seinen Zweigen nisten werden, sind irgendwie bereits in diesem kleinen Samenkorn enthalten.
Andererseits kann – realistisch betrachtet – eine Menge schiefgehen, bis aus dem kleinen Senfkorn ein großer Busch wird. Es kann auf unfruchtbaren Boden fallen, es kann nicht ausreichend Licht, Wärme und Feuchtigkeit bekommen, es kann ausgerissen werden oder als Gründünger untergepflügt werden. Ich habe mich lange mit diesem Gleichnis schwergetan, denn ein „Baum“ wird aus einem Senfkorn nach meiner Erfahrung niemals. Senf ist eine krautige Pflanze und wird selten höher als einen Meter. Dass Vögel in ihr nisten sollen, kann ich mir schon gar nicht vorstellen. Erst als ich erfuhr, dass Jesus höchstwahrscheinlich vom Schwarzen Senf spricht, weil der im östlichen Mittelmeer beheimatet ist, ergab das Bild wieder einen Sinn. Der Schwarze Senf erfüllt tatsächlich alle Eigenschaften, die man für dieses Gleichnis braucht. Das Korn ist klein und extrem „wüchsig“. Wie andere Senfarten auch ist es einjährig, und in diesem einen Jahr kann es bis drei Meter groß werden. Buschig, gelb blühend und mit viel Platz für Vögel zum Verstecken.
Wenn Jesus also das Reich Gottes mit einem Senfkorn vergleicht, meint er nicht nur die Tatsache, dass etwas Kleines sehr groß wird. Es geht auch darum, dass man beinahe dabei zuschauen kann, dass man sich täglich darüber freuen kann, dass es wächst, weil es „wüchsig“ ist wie Senf! Sicherlich bleibt es dabei: Was lebt und wächst, kann auch verkümmern oder ist auf andere Art und Weise bedroht, aber erstens kann man sich um das Wachstum auch mit kümmern und zweitens kann man sich über jeden neuen Trieb, jede neue Blüte freuen, als wäre der Busch bereits ausgewachsen. Es geht in dem Gleichnis nicht um die Ernte und den Ertrag, sondern um das Wachstum selbst.
In schweren Zeiten, wenn das Gute, das Ziel, so weit entfernt erscheint, ist es umso wichtiger, sich am Werden und Gedeihen zu freuen und zu erkennen, was bereits an Gutem da ist, was sich entwickelt und wird. Wenn Menschen, die sich vor kurzem noch wegen Maskenfragen spinnefeind waren, jetzt gemeinsam erkennen, wie kostbar Frieden ist und gemeinsam für ihn auf die Straße gehen, dann ist etwas am Werden. Dann geht eine gute Saat auf und wächst. Wer in dieser Zeit vor allem ängstlich in die Welt schaut, tut gut daran, die Augen für solches Wachstum offen zu halten.
Hilfreich ist dabei das, was Jesus empfiehlt: eine Sehhilfe zu verwenden. Darum lautet meine Wochenaufgabe für Sie: Säen oder pflanzen Sie etwas mit einer möglichst großen Wuchskraft. Das ist in unseren Breiten eher eine Sonnenblume als ein Senfkorn. Aber vielleicht haben Sie auch Platz für Schwarzen Holunder. Der schafft auch zwei bis drei Meter pro Jahr. Sicherlich finden Sie Ihren Favoriten, nur pflanzen und säen Sie! Und dann schauen Sie dem Guten beim Wachsen zu – Ihrer Pflanze und dem, was in der Welt an Gutem wächst. Freuen Sie sich ruhig daran.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Ihr Frank Muchlinsky
PS. In der letzten Woche hatten wir technische Probleme bei der Anmeldung für den Online-Bibliolog. Die Schwierigkeiten sind behoben. Sie können sich jederzeit über diesen Link zur Teilnahme anmelden: https://7wochenohne.evangelisch.de/bibliolog-online
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