Fastenmail: Woche 3 „Das Spiel mit dem Nein”

Und der König von Ägypten sprach zu den hebräischen Hebammen, von denen die eine Schifra hieß und die andere Pua: Wenn ihr den hebräischen Frauen bei der Geburt helft, dann seht auf das Geschlecht. Wenn es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist's aber eine Tochter, so lasst sie leben. Aber die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte, sondern ließen die Kinder leben. Da rief der König von Ägypten die Hebammen und sprach zu ihnen: Warum tut ihr das, dass ihr die Kinder leben lasst? Die Hebammen antworteten dem Pharao: Die hebräischen Frauen sind nicht wie die ägyptischen, denn sie sind kräftige Frauen. Ehe die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie geboren. Darum tat Gott den Hebammen Gutes. Und das Volk mehrte sich und wurde sehr stark.
2. Mose 1,15−20 (Hier vorgelesen von Helge Heynold)

Liebe Unblockierte im Lockdown,

heute möchte ich zunächst einen kurzen Einblick „hinter die Kulissen“ der Fastenmail geben. Der Anlass dafür ist vor allem, dass ab heute ein neues Foto von mir unter der Fastenmail mit solch einem Blick erscheint. Es zeigt mich an dem Ort, an dem ich Ihnen schreibe. Die Dekoration mit dem Kalender und dem großen Banner von „7 Wochen Ohne“ kommt daher, dass ich in diesem Zimmer auch sitze, wenn ich freitags die Bibliologe für „7 Wochen Ohne“ leite. Es ist also mein Arbeitszimmer, mein Studio, meine Schreibkammer, wie immer Sie wollen.

Weil physische Sonntagsgottesdienste im Moment nur stark eingeschränkt stattfinden, nutze ich die Sonntage seit ein paar Monaten zum Schreiben meiner „Zuversichtsbriefe“, jetzt wieder „Fastenmails“. Das ist für mich eine gute Routine geworden, mein kleiner Gottesdienst. Seit Beginn der neuen Fastenaktion ist nun eine weitere sonntägliche Übung für mich hinzugekommen: Ich schreibe auch den Bibliolog für den kommenden Freitag. Der Bibliolog beschäftigt sich mit demselben biblischen Text wie mein Brief an Sie, denn es ist der Wochentext von „7 Wochen Ohne“. Bevor ich mich an die Fastenmail setze, habe ich mich also bereits einmal mit dem Text auseinandergesetzt.

Wenn Sie schon einmal an einem Bibliolog teilgenommen haben, wissen Sie, dass es darin um Fragen geht. Bibliolog fragt nach den Dingen, die der biblische Text offenlässt, beziehungsweise er fragt nach dem, was vom Text angeregt wird. Dabei gilt immer: Der Text selbst wird nicht angetastet. Was dort steht, wird nicht infrage gestellt. Gefragt wird ausschließlich nach dem, was zwischen den Zeilen steht. Und da gibt es eine Menge zu entdecken. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Fragen auftauchen, wenn man einen Text genau anschaut. Und wie viele Antwortmöglichkeiten darin stecken! Darum weise ich Sie heute auf ein paar Fragen hin, die mir beim Studium des heutigen Bibeltextes gekommen sind. Es sind nicht die Fragen, die im Bibliolog am kommenden Freitag vorkommen. Sie können also beruhigt weiterlesen, ich verrate nichts.

Der Bibeltext steht am Beginn des zweiten Buchs Mose, also des Buchs, das vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten erzählt. Der Anfang des Buchs berichtet, warum es dazu kommt, dass Israel das Land Ägypten verlassen muss: Die Ägypter haben Angst vor den Israeliten und versuchen alles, damit dieses Volk auf ägyptischem Gebiet nicht größer wird. Eine dieser Maßnahmen wird vom Pharao persönlich befohlen: Die Hebammen, die den Hebräerinnen, wie die Ägypter die Israelitinnen nennen, bei der Geburt helfen, sollen nun schauen, ob da ein Junge oder ein Mädchen geboren wird. Ist es ein Junge, sollen sie das Neugeborene töten.

Offen bleibt nun, ob die beiden Hebammen Schifra und Pua selbst Hebräerinnen oder Ägypterinnen sind. Die Lutherübersetzung entscheidet sich dafür, die beiden zu „hebräischen Hebammen“ zu machen, doch der hebräische Text würde auch zulassen, hier „Hebammen für die Hebräerinnen“ zu lesen. Die Namen der beiden klingen eher ägyptisch, aber eindeutig sind sie nicht. Die Tatsache, dass sie „Gott fürchteten“, kann ebenfalls in beide Richtungen weisen: Zum einen glauben Schifra und Pua an den Gott Israels, zum anderen sind „Gottesfürchtige“ in der Regel gerade keine Israeliten.

Fakt ist, dass die beiden den Befehl des Königs verweigern. Sie tun schlicht nicht, was man ihnen befohlen hat und lassen auch die Jungs leben. Die erste Frage, die ich mir und Ihnen stellen möchte, lautet: Welchen Unterschied macht es, ob Schifra und Pua selbst Israelitinnen oder ob sie Ägypterinnen sind? Gehen Sie in Ruhe beide Möglichkeiten durch!

Die nächste Frage ergibt sich aus der Lüge, die die beiden Hebammen dem Pharao auftischen: Sie erzählen ihm, dass sie immer zu spät zur Geburt kämen, weil die Hebräerinnen immer bereits geboren hätten, wenn sie eintreffen. Als Begründung dafür sagen Sie nach der Lutherbibel, die hebräischen Frauen seien „kräftige Frauen“. Wörtlich steht hier im hebräischen Text allerdings: „Die hebräischen Frauen sind wie Tiere.“ Darum die zweite Frage: Welchen Unterschied macht es, was die beiden hier sagen? Spielen Sie die Szene einmal in Ihrem Kopf durch: Die beiden stehen vor dem Pharao und werden gefragt, warum sie die Kinder alle haben leben lassen. Wie ändert sich die Szene, wenn sie einmal das eine und einmal das andere sagen?

Und noch eine dritte Frage: Die Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ hat diese Geschichte in ihrem Kalender nicht mit einer Frau, sondern mit einem Mann bebildert, der ein Neugeborenes in den Händen hält. Welchen Unterschied macht das für die Geschichte, über der dieses Bild steht?

Die Wochenaufgabe ergibt sich aus meinen Fragen. Beantworten Sie sie! Am besten tun Sie das nicht allein. Suchen Sie sich jemanden, um sich über Ihre Antworten auszutauschen! Denn das ist es, was auch den Bibliolog so wertvoll macht: Es gibt viele Antworten, und es macht Spaß, sich auch die Antworten von anderen anzuhören. Und wenn Sie mögen, machen Sie beim nächsten Online-Bibliolog am Freitag, dem 5.3., von 16 bis 17:30 mit! Zum Anmelden folgen Sie bitte diesem Link.

Bleiben Sie spielerisch!

Ihr Frank Muchlinsky