„Das kann doch keine zwei Jahre dauern!“

Ein Beitrag zum Coronavirus von Susanne Breit-Keßler

„Das kann doch keine zwei Jahre dauern!“, sagt die alte Dame neben mir am Gemüsestand. „Da sagen sie, wir sollen keine Panik haben, aber dann bekommt man doch Angst.“ Mit zittrigen Fingern steckt sie ihr Wechselgeld weg. Die junge Marktfrau antwortet beruhigend: „Aber nein, das ist bald vorbei.“ Fast die ganze Spannbreite der momentanen Gefühle ist hier versammelt – vom fröhlichen Optimismus bis hin zur vollkommen realistischen Sorge. Nicht da sind diejenigen, die zu Hause in Quarantäne hocken oder gebeutelt vom Coronavirus im Krankenhaus liegen.

Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus. Die Leitgedanken der evangelischen Fastenaktion haben immer getroffen, aber diesmal ist das Motto ein Schlag ins Kontor. Man wünschte sich beinahe, es wäre etwas weniger passend. Aber damit wäre die tiefe Einsicht geleugnet, die hinter diesem Satz steckt. Es geht ja gerade nicht darum, einer absolut negativen Lebenseinstellung, die nichts Gutes erwartet oder erhofft, eine gegenüber zu stellen, die die Welt unbekümmert und damit unvernünftig von der besten Seite betrachtet.

Edgar Allen Poe erzählt in der Geschichte „Die Maske des Roten Todes“ vom Prinzen Prospero. In seinem Herrschaftsgebiet wütet eine schlimme Krankheit. Der Fürst lädt Freunde auf seine Burg. Kaum ist die Gesellschaft eingezogen, werden die Riegel der eisernen Tore fest geschweißt: Prospero will Hilfe suchende Menschen abhalten. Er sagt: „Möchte die Welt da draußen für sich selber sorgen. Ein Narr, der sich mit Sorgen und trüben Gedanken quälte!“ Prospero lebt und feiert – wie Zeitgenossen auf so genannten trotzig-dummen Corona-Partys.

Zuversicht? Eher egomanischer Optimismus. Allerdings: Jedes Mal, wenn die Stunde schlägt, verstummt die Musik für einen Augenblick, man wird unruhig, um dann nur umso wilder weiter zu tanzen. Schließlich schlägt es zwölf Uhr. Eine düstere Gestalt erscheint. Man ist empört, wird doch offenbar mit dem Grauen Scherz getrieben. Der Prinz will die Gestalt entlarven – aber es gibt nichts zu demaskieren. Die Gesellschaft steht vor ihrer eigenen Gefährdung, vor der Tatsache der Vergänglichkeit. Das Haltbarkeitsdatum des Optimismus ist definitiv abgelaufen.

Man kann nicht ohne Schaden für sich und andere die Schatten der Welt aussperren – glauben, dass man persönliches Vergnügen rücksichtslos festhalten könnte. Zuversicht, die wir meinen, ist von einem anderen Schlag. Sie nimmt Realität ernst und fordert von allen, die können, persönlichen Einsatz. Corona – das verlangt fürsorgliche Rücksichtnahme auf besonders gefährdete Menschen und damit eine erhebliche Einschränkung der gewohnten Selbstverwirklichung. Freiheit bedeutet auch die Freiheit, zu verzichten. Was wir brauchen ist Konzentration darauf, was andere brauchen. Zuversicht.

Es ist eine schwere Zeit. Keiner weiß, wie lange sie dauert. In der Bibel heißt es: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Wir hoffen und vertrauen darauf, dass es in Gottes Namen wieder besser wird mit uns. Das wird nicht in sieben Wochen sein, vielleicht in sieben Monaten. Jetzt heißt Zuversicht: Die nötige Distanz wahren, zugleich füreinander einkaufen, einander schreiben, miteinander telefonieren, von Balkon zu Balkon gemeinsam singen. Und vor allem: Beten.