Liebe Frühblüher und Frühlingsbotinnen,
gehören Sie zu denjenigen, die die Woche vor Ostern Karwoche nennen? Begehen Sie die Tage entsprechend? Mit Karfreitag als Mittelpunkt dieser Woche und Trauer im Herzen? Oder gehören Sie eher zu denen, die bereits in fröhlicher Erwartung von Ostern sind? Malen Sie bereits Eier an? Oder verbieten Sie sich das, weil Ostern eben erst am Sonntag beginnt? Die meisten Leute, die christlichen Gemüts sind, versuchen vermutlich, beides unter einen Hut zu bekommen. Karfreitag wird nicht getanzt, aber man kann schon am Karsamstag einen Hefezopf backen. Es ist eine besondere Woche, denn wir feiern Lebensende und neues Leben kurz hintereinander – und in dieser Reihenfolge: erst Tod, dann Leben.
Das widerspricht eigentlich unserer Wahrnehmung. Ein Mensch wird geboren, lebt und stirbt schließlich. Dass nach dem Tod das Leben kommt, können wir nur beobachten, wenn wir nicht ein einzelnes Leben in den Blick nehmen, sondern das Leben als Ganzes. Jesus tut das, wenn er in einem Gleichnis sagt: Ein Samenkorn, das in die Erde fällt, stirbt. Aber aus ihm wird ein neuer Halm, eine Ähre, vielfaches Leben. Es gibt darum keinen besseren Zeitpunkt, Ostern zu feiern, als den Frühling, wenn aus dem vermeintlich toten Boden das sichtbare Leben sprießt. Leben, das nach dem Tod kommt, können wir jedes Jahr wieder beobachten. Wer die ganze Schöpfung in den Blick nimmt, wird feststellen, dass Geburt und Sterben sich immer wieder abwechseln wie ein stetiges, langsames Ein- und Ausatmen.
So tut es Psalm 104. Dieses wunderschöne Loblied preist, wie gut Gott seine Welt geschaffen hat. Schöpfung bedeutet für die Bibel, dass Gott die Erde bewohnbar gemacht hat und sie auch so erhält. Dazu gehört, dass Erde und Himmel einerseits „fest stehen“, sie also nicht ins Wanken kommen. Ebenso braucht es regelmäßige Bewegung, denn sie macht die Welt dadurch stabil, dass sie Verlässlichkeit schenkt. Auf die Nacht folgt der Tag, auf den Winter folgt der Frühling, auf das Leben folgt der Tod und umgekehrt.
Mensch und Tier halten Ausschau nach dir, damit du ihnen Essen gibst zur richtigen Zeit. Du gibst es ihnen, sie sammeln es auf. Du öffnest deine Hand, sie essen sich satt an deinen guten Gaben. Wendest du dich ab, erschrecken sie. Nimmst du ihnen den Lebensatem, dann sterben sie und werden zu Staub. Schickst du deinen Lebensatem aus, dann wird wieder neues Leben geboren. So machst du das Gesicht der Erde neu. (Psalm 104,27-30)
Leben und Sterben hängen daran, ob Gott sich gerade zu- oder abwendet, ob Gott ein- oder ausatmet. Wie im Text der ersten Fastenwoche Gottes Atem den Menschen lebendig macht, so bestimmt Gottes Lebensatem in diesem Text die ganze Schöpfung. Sein Atmen ist der Rhythmus, in dem alles lebt und stirbt. Und da Gott niemals aufhört zu atmen, folgt auf den Tod selbstverständlich und verlässlich auch wieder das Leben. Darum ist es gar nicht so wichtig, wann genau Sie Ihren Hefezopf backen oder wann Sie Eier färben. Der Grund ist ja Ostern, auf das wir warten. Leben nach dem Tod, das so sicher kommt, wie das Ein- nach dem Ausatmen Gottes. Ostern hat den Tod in sich ebenso wie das Leben.
Allerdings kommt der ruhige und verlässliche Rhythmus von Leben und Tod durch Ostern auch gehörig durcheinander. Es ist ja nicht so, dass einfach das Leben in seiner Gesamtheit weitergeht. Stattdessen wird Jesus, ein Individuum, wieder lebendig. Das mag uns einleuchten, verwundern oder schwer glaublich erscheinen, aber so steht es in der Bibel und ohne diese Besonderheit wäre Ostern nicht mehr als ein Frühlingsfest. Leben nach dem Tod gilt seit Ostern nicht mehr nur für das Leben allgemein, sondern auch für den einzelnen Menschen. Sie und ich, wir dürfen darauf hoffen, dass unser Tod nur eine Atempause ist, bis Gott uns wieder anhaucht. Wie das sein wird? Ich weiß es nicht, aber ich mag es mir ausmalen. Darum stelle ich mir und Ihnen diese letzte Wochenaufgabe für dieses Jahr:
- Malen Sie ein Ei an, auf dem Sie sich das Leben nach dem Tod ausmalen. Malen Sie ein wahrhaft österliches Auferstehungsei! Nutzen Sie gern alle Farben des Frühlings, inklusive dem Grau der Wolken und dem Braun der Erde. Oder machen Sie es ganz anders. Sie atmen schließlich Gottes schöpferischen Geist.
- Zusatzaufgabe für alle, die gern teilen: Schicken Sie mir ein Foto von Ihrem Osterei an: frank.muchlinsky@evangelisch.de
Nun verabschiede ich mich von Ihnen. So Gott will und wir leben, lesen Sie auch im nächsten Jahr wieder 7 Wochen lang von mir. Oder vielleicht sehen wir uns auf dem Kirchentag in Hannover? Wer weiß!
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Gott segne Sie!
Ihr Frank Muchlinsky