Liebe Frischluftfanatikerinnen, Durchlüfter und Pollenbeeinträchtigte,
im Urlaub ans Meer – oder in die Berge? Eigentlich spielt es keine so große Rolle, Hauptsache dorthin, wo die Luft klar ist! Freizeit und Erholung haben viel mit unserem Atem zu tun. Besonders tief Atem hole ich dort, wo die Luft mich dazu einlädt. Und wenn ich die frische Luft in tiefen Zügen in meinen Lungen spüre, durchströmt ihre Kraft nicht nur den Körper bis ins Hirn, sondern auch den Geist bis in die Zehenspitzen.
Es leuchtet mir sofort ein, dass Gottes Geist auf Hebräisch Ruach heißt. Das bedeutet nämlich auch Wind. Mit meiner norddeutschen Abstammung stelle ich mir diesen Wind natürlich als steife Brise vor, und damit liege ich gar nicht so falsch, denn Ruach bedeutet auch Sturm. Erinnern Sie sich an Jona? Dessen Schiff gerät in Ruach und geht beinahe unter. Der Begriff schillert. Er kann auch Kraft, Energie bedeuten. Und eben auch Atem. Diese herrliche Vielfalt der Bedeutung wird auch in den Geschichten deutlich, in denen der Heilige Geist über die Jünger kommt. In der Apostelgeschichte des Lukas sind es Feuerzungen, die wie ein Sturm die Christenmenschen aus dem Haus fegen. (Apostelgeschichte 2,1–13) Im Johannesevangelium haucht Jesus die Seinen mit dem Geist an. Das klingt wesentlich sanfter als in der Pfingstgeschichte von Lukas.
Was macht dieser Heilige Geist eigentlich mit den Leuten? Darüber kann man sich herrlich streiten, und das geschieht auch seit jeher. Schon in der Bibel lesen wir davon, wie zum Beispiel Paulus sich mit Menschen streitet, die davon überzeugt sind, dass der Heilige Geist übermenschliche Kräfte verleiht. Paulus stellt gar nicht infrage, dass manche Leute durch die Kraft des Heiligen Geistes in fremden Sprachen reden können, während andere prophetische Eingebungen haben oder heilen können. Paulus gefällt es aber nicht, dass diese „Gaben“ des Heiligen Geistes als Maßstab dafür hergenommen werden, wie christlich ein Mensch ist. Mehr Geist bedeutet nicht mehr Christ.
Wie gesagt, man kann herrlich darüber streiten, was der Ruach in denen bewirkt, die ihn bekommen. Ich will heute trotzdem nicht mitstreiten, sondern einmal genau hinschauen, was Jesus in der Bibelstelle sagt, die uns für diese Woche ausgesucht wurde. Er sagt: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie wirklich vergeben. Wem ihr sie aber nicht vergebt, dem sind sie nicht vergeben.“ Was für eine Bürde! Ich erschauere, wenn ich mir vorstellen soll, dass mein Urteil über das ewige Wohl oder Wehe einer menschlichen Existenz bestimmt. Vielleicht kann man die Worte von Jesus auch eher als Warnung verstehen. „Passt gut auf! Wenn ihr jemandem die Sünden nicht vergebt, sind sie ihm auch nicht vergeben. Denkt also gut nach, bevor ihr über jemanden richtet.“ Immerhin fordert Jesus ja nicht dazu auf, möglichst viel von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Im Gegenteil, an anderer Stelle heißt es von Jesus: „Ihr sollt andere nicht verurteilen, damit Gott euch nicht verurteilt.“ (Matthäus 7,1)
In jedem Fall ist Ruach etwas sehr Kraftvolles. Und diese Vorstellung gefällt mir nun wieder gut. Wer von Jesus angehaucht wird oder wen der Heilige Geist aus der Wohnung treibt, kann mehr als vorher. Ich wage mal diese Formulierung: Ruach verleiht Superkräfte. Nicht im Sinne von fliegen können, unsichtbar sein oder unverwundbar. Aber im wörtlichen Sinn von „super“: „über“. Über meine eigenen Kräfte hinaus schaffe ich Dinge. Wenn ich nach solchen Superkräften bei mir suche, werde ich tatsächlich fündig. Ich bin zwar nicht unverwundbar, aber ich ertrage doch eine ziemliche Menge. Ich kann auch nicht fliegen, aber ich kann doch spüren, dass ich von mehr als dem Erdboden getragen werde. Ich sage, es kommt vom Heiligen Geist, dass ich so sehr lieben kann. Ich sage, es ist meine Geist-Superkraft, dass ich weinen kann, wenn andere traurig sind. Es ist gut möglich, dass andere Menschen ihre Antriebskraft aus anderen Quellen schöpfen. Ich sage, mich pustet Ruach an, damit ich meinen Hintern hochbekomme, um Dinge zu tun, die nicht nur für mich und meine Lieben gut sind.
Wochenaufgabe: Finde mindestens drei Deiner Superkräfte und schreibe sie auf. Freue Dich über sie, sei ruhig ein bisschen stolz auf sie.
Zusatzaufgabe für Ehrgeizige: Finde zwei Kräfte, die Du noch hättest oder die Du trainieren willst. Schreibe sie ebenfalls auf und überlege, was Du brauchst, damit sie wachsen können.
Ich wünsche Ihnen allen eine Woche mit sehr viel Ruach.
Ihr Frank Muchlinsky