Zuversicht?

Aus aktuellem Anlass: Susanne Breit-Keßler erschüttert über Gewalttat in Hanau
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Es ist nicht lange her. Wir waren im Frankfurter Raum unterwegs und wollten spätabends noch ausgehen. In unserer Nähe hatte nur eine Shisha-Bar geöffnet. Nicht alle waren begeistert: Wir wüssten doch nicht, was das für ein Publikum sei, noch dazu um diese Uhrzeit. Mangels Alternativen sind alle mitgegangen. Menschen mit Migrationshintergrund haben gastfreundlich sofort für uns Platz gemacht. Ich war so beschwingt wie lange nicht mehr. 

Die Morde von Hanau treffen mitten ins Herz. Getötet wurden Männer und Frauen wie die, die uns begegnet sind. Menschen wie du und ich. Die Bedrohung kam nicht von innen, von denen, die in den Shisha-Bars waren. Sie kam von außen, von jemandem, der sich als Angehöriger eines exklusiven „inner circle“ verstand. Und jetzt? Die Passionszeit beginnt in wenigen Tagen. Die Evangelische Kirche ruft zum Fasten auf. Das diesjährige Motto lautet: „Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus“. Ausgerechnet.

Passt das zu den Zeiten, die wir erleben? Zu den Katastrophen, die wir im Privaten durchzustehen haben, zu den Morden in Hanau, die so vielen Menschen das Leben gekostet und ihre Liebsten ins Unglück gestürzt haben? Zuerst einmal könnte man verzweifeln. Brüllender Schmerz, unsagbare Trauer müssen ausgehalten werden. Das dauert lange. Das Leben für die, die unmittelbar betroffen sind, wird nie mehr das gleiche sein wie zuvor.

Zuversicht? Die Hinterbliebenen können nur weiterleben, wenn Menschen ihre Wut und ihren Schmerz mittragen, wenn sie da sind. Nur so mag vielleicht irgendwann neue Zuversicht entstehen. Die Gesellschaft selbst braucht unbedingt Klarheit: über die Ursachen der Gräueltaten, die wir erleben. Und sie braucht Wahrheit. Nämlich die permanente Entlarvung der Brandstifter, die tagtäglich irgendwo im Internet, in Salons und auf der Straße mit Hass und Hetze inflammieren.

Sie zündeln mit populistischen Parolen gegen alles, was anders ist, und gegen alle, die in ihren Augen nicht dazugehören. Sie brauen das explosive Gemisch, aus dem Verschwörungstheorien und Paranoia dampfen. Purer Pessimismus ist ein Problem, keine Lösung. Natürlich kann ein denkender Mensch nicht ohne realistische Weltsicht auskommen. Dazu gibt die Fastenaktion vernünftigen Anstoß: sehen, was nicht in Ordnung ist – aber trotz der Schrecken, die einen beuteln, mit getroster Zuversicht weiterleben.

„7 Wochen Ohne“ macht Mut, die Welt nicht ausschließlich vor dem finsteren Hintergrund zu sehen, den wir momentan erblicken müssen. Und ja – sie begründet solchen Elan religiös. Christenmenschen vertrauen, wenn sie bei Trost sind, auf einen Gott, von dem sie Inspiration, Kraft und Durchhaltevermögen erwarten. Die eigene Mentalität aufmöbeln, gescheite Perspektiven für eine bessere Welt entwickeln – das braucht mehr als sich selbst. Man sieht ja, was passiert, wenn sich einer einspinnt in den eigenen Wahnsinn.

Zum Pessimismus-Fasten verbinden sich heuer wieder evangelische mit römisch-katholischen Zeitgenossen und solchen, die mit Religion eher weniger oder nichts am Hut haben. „Willkommen“ sage ich als Vorsitzende der bundesweiten Aktion. Willkommen auch unseren jüdischen und den muslimischen Freunden, wenn sie mögen. Wir haben alle miteinander Zuversicht nötiger denn je. Denn diese Welt und ihre Menschen sind es allemal wert, einen klaren Kopf und ein tapferes Herz zu behalten.