Fastenmail 1: Licht an!

Maria Irl

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
(1. Mose/Genesis 1,1–5)

Liebe große Leuchten, kleine Lichter und alle dazwischen,

es geht wieder los! Es ist an der Zeit, auf Sachen zu verzichten, die uns das Leben schwermachen. In diesem Jahr stehen die 7 Wochen Ohne unter der Überschrift: „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit.“ Wie in den Jahren zuvor werde ich Ihnen bis Ostern wöchentlich eine E-Mail schicken mit Gedanken, die ich mir zu den jeweiligen Bibeltexten mache, die für die einzelnen Wochen ausgesucht wurden. Darum könnten Sie in den kommenden Wochen vielleicht folgenden Dialog führen: Jemand fragt sie: „Was fastest du dieses Jahr?“, und Sie antworten: „Du, ich verzichte dieses Jahr auf Verzagtheit.“ Ich ahne, dass dieses Gespräch interessant werden könnte.

Verzagen ist kein Wort aus den Top Hundert unseres aktiven Wortschatzes. Es verlangt augenblicklich nach Erläuterung. Man kann sich durchaus etwas darunter vorstellen. Gerade in Zeiten von nahem Krieg und katastrophalem Klima lässt es sich gut verzagen. Wir stehen so großen Schwierigkeiten gegenüber, dass Verzagen sozusagen die natürliche Reaktion ist. Der Kampfruf des Verzagens lautet: „Das nützt auch nichts!“ Friedensverhandlungen nützen nichts, sich an der Straße festkleben nützt nichts, in Europe auf Kohle verzichten nützt nichts, zur Wahl gehen nützt nichts, Kinder kriegen nützt nichts. Die Liste ist lang, und ich mag sie nicht weiter ausführen.

„Worauf verzichtest du dieses Jahr?“ „Ich verzichte darauf, es mir einfach zu machen, indem ich sage: Es nützt nichts. Ich verzichte darauf, es mir in der Verzagtheit bequem zu machen.“ Dabei sollen die sieben Bibeltexte helfen. Um Licht geht es darin als Gegenmittel zur Verzagtheit. Es geht darum, Licht zu sehen und schließlich selbst zu leuchten. Das kann ein langer Weg sein, aber wir fangen ja erst an. Und der Bibeltext von heute steht ebenfalls ganz am Anfang. Sind Sie bereit? Noch nicht? Dann geht es Ihnen ähnlich wie allem, denn am Anfang der Bibel ist alles wüst und leer, dunkel und in keiner Weise bereit.

Ich habe beim erneuten Lesen unserer Bibelstelle vom ersten Schöpfungstag eine Entdeckung gemacht, die ich gern mit Ihnen teilen möchte. Die Beschreibung erinnert an ein Schlafzimmer am Morgen. Die Schöpfung liegt noch im Dunkel. Sie liegt unter zwei Decken: „Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ Das könnte ein sehr friedliches Bild sein, doch anscheinend war die Nacht unruhig. Das Bett ist zerwühlt, die Erde ist Tohuwabohu (Hebräisch für wüst und leer). Dann macht Gott das Licht an. Die eine Decke, die Finsternis, wird der Schöpfung weggenommen. Aber Gottes Geist schwebt weiterhin über all dem. Die Schöpfung bleibt unter Gottes Geistdecke liegen, auch als das Licht angeht.

Dann ist es also hell, aber nun läuft es anders ab als gewöhnlich in einem Schlafzimmer am Morgen. Gott sieht das Licht an und stellt fest, dass es gut ist. Die Schöpfung liegt immer noch da, als Gott ein wenig für Ordnung sorgt und Dunkel von Hell trennt: „So, Licht, du heißt jetzt Tag, und dich, Dunkel, nenne ich Nacht.“ Wenn sonst jemand morgens ins Zimmer kommt und das Licht anmacht, folgt in der Regel die Aufforderung: „Aufstehen!“ Die Schöpfung aber darf auch im Licht erst einmal unter Gottes Geistdecke liegen bleiben, bis der erste Tag herum ist.

Was für ein wundervoller Start! Kein In-die-Hände-Spucken, kein Ran-an-den-Speck. Stattdessen umschauen, Gutes entdecken, liegen bleiben, Licht genießen, der Dunkelheit einen Namen geben und eine Zeit. Das könnte ein wirksames Mittel gegen Verzagtheit sein, zumindest für den Beginn. Und darum lautet meine erste Wochenaufgabe für Sie auch wie folgt: Machen Sie morgen nach dem Aufwachen das Licht an beziehungsweise lassen Sie es herein, falls es draußen schon hell ist, wenn Sie aufwachen, und bleiben Sie bewusst noch eine Viertelstunde bei Licht unter Ihrer Decke liegen. Denken Sie an Gottes Geistdecke und daran, wie gut das Licht ist.

Sollten Sie morgen einen frühen wichtigen Termin haben, ist es vielleicht gut, Ihren Wecker eine Viertelstunde früher klingeln zu lassen. Ich möchte ja nicht, dass Sie meinetwegen Ärger bekommen. Ich möchte, dass Sie das Licht wahrnehmen können und sagen können: Es ist gut! Und dann, ja, dann stehen Sie schließlich auf.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!

Ihr Frank Muchlinsky